Der „Boxing Day“ ist der zweite Weihnachtsfeiertag (26. Dezember) in vielen englischsprachigen Ländern, darunter Großbritannien, Irland, Kanada, Australien und Neuseeland. Der Name hat nichts mit Boxkämpfen zu tun, sondern geht auf „box“ – englisch für „Schachtel/Kästchen“ – zurück und verweist auf Geschenke- und Almosenbräuche rund um Weihnachten. Die genaue Wortherkunft ist nicht eindeutig, doch mehrere Traditionsstränge haben sich im Laufe der Jahrhunderte zu dem heutigen Fest- und Feiertagsnamen verdichtet.
„Boxing Day“ lässt sich frei als „Geschenketag“ oder „Tag der (Geschenk-)Schachteln“ übersetzen. Sprachhistorisch wird der Name meist auf zwei miteinander verknüpfte Praktiken bezogen: Zum einen gab es die Kirchenkassen oder Almosenbüchsen („poor boxes“), in denen während der Weihnachtszeit Spenden für Bedürftige gesammelt wurden. Zum anderen bezeichnete „Christmas box“ im England der Frühen Neuzeit eine kleine Gabe oder Jahresgratifikation, die Dienstboten, Lehrlinge, Postboten, Händler und Handwerker von ihren Arbeitgebern bzw. Kundinnen und Kunden erhielten – häufig in einer Schachtel überreicht. Dass der 26. Dezember mit Schachteln, Spenden und Zuwendungen assoziiert war, gab dem Tag schließlich seinen bis heute gebräuchlichen Namen. Eine eindeutige, alleinige „Urquelle“ des Begriffs ist jedoch nicht nachweisbar; vielmehr verschmolzen verschiedene Bräuche zum heutigen Bedeutungsfeld.
Der 26. Dezember ist in der westlichen Christenheit der Stephanustag, benannt nach dem Diakon und Märtyrer Stephanus. In der Legende wie in der Liturgie gilt er als Fürsprecher der Armen; entsprechend wurden in frühchristlicher und mittelalterlicher Zeit Almosen rund um dieses Datum eingesammelt und verteilt. Im mittelalterlichen Europa – und später besonders im britischen Königreich – war es üblich, Kollektengelder in „boxes“ aufzubewahren, die man an oder nach Weihnachten öffnete und Bedürftigen zukommen ließ. Diese karitativen Praktiken blieben lebendig, während sich im frühneuzeitlichen England zusätzlich ein sozialer Brauch etablierte: Dienstboten und Hausangestellte erhielten am Tag nach Weihnachten kleine, häufig in Schachteln verpackte Geschenke ihrer Herrschaften; Handwerker und Lieferanten bekamen ein „Yuletide tip“ – eine Art Trinkgeld oder Jahresbonus. Aus dieser sozialen Ökonomie der Dankbarkeit speist sich ein wesentlicher Bedeutungsstrom des Boxing Day.
Mit der industriellen Moderne wurden die freien Tage um Weihnachten rechtlich festgeschrieben; im Vereinigten Königreich wurde der 26. Dezember im 19. Jahrhundert als Bank Holiday verankert. Auch in den Ländern des Commonwealth nahm der Tag den Charakter eines staatlich anerkannten Feiertags an. Fällt der 26. Dezember auf ein Wochenende, wird der freie Tag häufig am nächsten Werktag „nachgeholt“ („observed“), wodurch sich in der Praxis verlängerte Festtage ergeben.
In Irland ist der 26. Dezember als „St Stephen’s Day“ bekannt; neben Gottesdiensten gibt es regional volkstümliche Bräuche wie den „Wren Day“, bei dem Musikgruppen durch die Straßen ziehen. In Kanada ist Boxing Day ein wichtiger Shopping-Feiertag, während in Australien neben den Ladenöffnungen das Cricket-Testmatch in Melbourne (traditionell ab dem 26. Dezember) besonders populär ist. Neuseeland kennt ebenfalls große Sommersportereignisse rund um dieses Datum. In den USA ist die Bezeichnung „Boxing Day“ hingegen unüblich; dort gilt der 26. Dezember nicht als landesweiter Feiertag.
Trotz Kommerz und Sport bleibt der Boxing Day mit der Idee des Teilens verknüpft. In vielen Gemeinden werden weiterhin Spendenaktionen organisiert; einige Unternehmen pflegen die Tradition kleiner Jahresgratifikationen. Der Tag erinnert daran, dass Weihnachten nicht allein im Austausch teurer Geschenke besteht, sondern in der Fürsorge für diejenigen, die Unterstützung brauchen – eine Idee, die sich von den frühen christlichen Almosenbüchsen über die „Christmas boxes“ bis in die Gegenwart zieht.
Wichtig ist die Abgrenzung zum „Boxing“ im Sinne von Faustkampf – ein häufiger Irrtum bei Deutschsprachigen. „Boxing Day“ hat semantisch nichts mit dem Sport zu tun; die „box“ ist die Schachtel, nicht der Ring. Eine direkte, elegante deutsche Entsprechung gibt es nicht. Umschreibungen wie „Geschenketag“ oder „Verpackentag“ geben den Kern wieder, sind aber nicht eingebürgert. In deutschsprachigen Kontexten spricht man meist schlicht vom zweiten Weihnachtsfeiertag.
Siehe auch: Stephanustag; Weihnachtsbräuche im Vereinigten Königreich; Almosenwesen; Weihnachtsgeschenke; Winterschlussverkauf/Rabattaktionen nach Weihnachten.
Der Boxing Day bündelt auf bemerkenswerte Weise Nächstenliebe, Dankkultur und Gemeinschaft: Aus Armenkassen, Gratifikationen für Dienstboten und kleinen „Christmas boxes“ wurde ein moderner Feiertag zwischen Familienzeit, Sportfesten und Schnäppchenjagd. Auch wenn die exakte Namensherleitung im Detail umstritten bleibt, ist die Botschaft klar – Weihnachten endet nicht am Heiligabend, sondern setzt sich am 26. Dezember in der Freude des Teilens fort.
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